„Die Schule benötigt Innovatoren“

Ein Beitrag von Myrle Dziak-Mahler (Geschäftsführerin des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln) aus dem Newsletter Monitor Lehrerbildung vom 08. Mai 2020.

Foto: Merle Hettesheimer

Als am 13. März 2020 in Nordrhein-Westfalen die Schulen geschlossen wurden, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, standen die Schulen vor einer großen Herausforderung. Plötzlich musste auf Home-Schooling umgestellt werden, aber mit digitalem Unterricht gab es bislang kaum Erfahrung. Als die nordrhein-westfälische Landesregierung dann Mitte April entschied, die Schulen für einen Teil der Schülerinnen und Schüler wieder zu öffnen, beschlich einen das Gefühl, diese Entscheidung ginge am Kern der Sache vorbei. Es wurde über Hygienemaßnahmen und Raumkonzepte, Risikogruppen und Schülerbeförderung diskutiert. Der Tenor war deutlich: Man wollte zum Altbewährten zurückkehren statt mit neuen Möglichkeiten die Ausnahmesituation gestalten.

Nun lebt gesellschaftlicher Fortschritt von Veränderung, und Veränderung tut an den Schulen dringend not. Und zwar auf der ganzen Linie. Eine Krise ist immer eine Herausforderung, diese Pandemie fordert uns alle – und das nicht nur wenige Wochen. Sie zwingt zum Umdenken, und genau darin liegt auch ihre Chance. Wir sollten also über Schule und die Ausbildung von Lehrkräften noch einmal ganz neu nachdenken.

Wenn junge Menschen sich heute für ein Lehramtsstudium entscheiden, müssen sie vor Studienbeginn die Schulform und die Fächer bereits festlegen. Was wäre aber mit einer Lehramtsausbildung, die diese Entscheidung erst einmal zurückstellt und die Aspekte, die zum Lehrer oder Lehrerin sein an sich gehören, in den Vordergrund rückt?

Wertschätzende Kommunikation, auf Augenhöhe miteinander umgehen und Teamarbeit wird an den Universitäten auch heute noch nicht ausreichend gelehrt und muss dringend einen höheren Stellenwert bekommen. Denn der Lehrberuf ist längst kein Einzelkämpferberuf mehr, bei dem man für 45 Minuten in der Klasse das Sagen hat. Ohne die Arbeit in multiprofessionellen Teams funktioniert Schule heute nur unzulänglich. Universitäten und die Lehrer*innenbildung können dabei eine wichtige Rolle einnehmen. Zu Recht wurde das Lehramtsstudium verwissenschaftlicht und liefert damit den Rahmen für einen nötigen Weitblick. Wenn es jetzt noch gelingt, den Studierenden neben wissenschaftlichen Erkenntnissen eine forschende Haltung an die Hand zu geben, haben sie später eine gute Grundlage, um als Innovatoren in Schule zu agieren. Wenn dazu noch Themen wie Change- und Innovationsmanagement, professionelle Kommunikations- und Beratungskompetenzen in die Curricula aufgenommen würden und die Arbeit im Team und an der persönlichen professionellen Weiterentwicklung zum Normalfall des Studiums würde, hätten wir eine Lehrerbildung, die zukünftige Lehrkräfte entlässt, die sich am Morgen orientieren können, sich was trauen und neue Ideen nicht nur generieren, sondern auch umsetzen können.

Denn als Innovatoren können sie den Blick auf Veränderung richten, zu digitalen Vermittlern und Lernbegleitern werden und ihr Handeln an dem ausrichten, was wirklich gebraucht wird. Damit wir uns nicht ans vermeintlich Altbewährte klammern, sondern zu neuen Ufern aufbrechen. Wir dürfen nicht dafür ausbilden, das zu tun, was wir immer schon getan haben. Wir müssen ausbilden für eine neue Schule, die sich an der Zukunft orientiert.